Ich hatte jetzt ein paar Tage Zeit um mich wieder zu sammeln und um zu versuchen hier die richtigen Worte zu finden, um das Ganze für euch und für die, die es auch betrifft oder schon betroffen hat, nachvollziehbar zu schreiben.
Eins vorweg; es geht hier nicht nur rein um die Bändchenvergabe, jedoch hat damit alles angefangen. Darum schreibe ich hier auch alles rund um das Thema rein und möchte mich jetzt schon bei jedem bedanken, der diesen Aufsatz hier bis zum Ende liest und vll sogar zu einer Lösung beitragen kann.
Das Oberthema ist Inklusion auf Rock im Park - in meinen Augen absolute Fehlanzeige.
Angefangen hat alles Donnerstag Morgen bei der Bändchenvergabe, Volksfestplatzeingang Bayernstraße. Wir standen mit meinem Bruder, 20 Jahre alt mit einem Schwerbehindertenausweis & das erste Mal im vollen Umfang bei RiP dabei, ca. 2 Stunden an (schwamm drüber, ist jedes Jahr so) um an die Bändchen zu kommen. Er war nun an der Reihe inkl. Begleitperson. Nach einer mehrfachen Error-Meldung des Gerätes wurden wir dann an der Anlegestelle zu 4 unterschiedlichen Personen geschickt, bis uns Letztere dann einfach mitteilte, wir sind hier falsch, sie können das Bändchen nicht anlegen. Auf die Frage hin, wohin wir denn sollen, wurde uns geraten, wir sollen es doch einfach mal bei Gate A probieren. Gesagt getan. In weiser Voraussicht hab ich dort erstmal einen abseits stehenden Security gefragt, der wirklich sehr nett war, aber auch keine Ahnung hatte und uns drum gebeten hat, uns einfach anzustellen. What? Wer dort war, weiß zu gut, wie lange man dort dann nochmal ansteht. Auf die Frage hin, ob er jemanden anfunken könnte, der es vll weiß, und uns sagen kann, wo wir hin sollen, kam nur ein "Neee.. geht jetzt leider nicht". Gut. Gott sei Dank stand genau neben der wartenden Menschenmenge eine Security-Dame, die für uns am Info-Häuschen nachgefragt hat. Wir wurden vor gelassen, mit der Garantie, jetzt klappt alles. Fehlanzeige. Wir sollen es bei Check-In C probieren. Okay, die paar Meter machen jetzt auch nichts mehr. Wieder zu dem Security wie davor gelatscht, der den Zaun bzw. Durchgang Richtung Lidl bewacht hat, mit der Bitte, uns durchzulassen, dass wir zu Check-In C kommen. "Kann euch hier leider nicht durchlassen, ihr habt keine Bändchen". Puh... Nach der Frage, wie wir denn dann dort hin kommen sollen und er uns bat, einmal rings um den Dutzendteich zu laufen, und ich ihn nochmals bat, dann wenigstens nachzufragen, ob wir dort richtig sind, tat er dies. Anschließende Aussage: "Also da müsst ihr wahrscheinlich hin, die können euch zumindest weiterhelfen wo ihr sonst hin sollt, aber da ist jetzt gerade noch niemand". Hatte mich dann höflich bedankt und wir gingen wieder.
Eine kleine Aufklärung an der Stelle für alle, die sich jetzt denken: Hm? Hätte man das nicht vorher klären können? War das nicht ausgeschrieben, dass Besucher mit Behinderung zu Check-In C müssen?
Klar! Ist auch passiert. Sowohl beim Ticketkauf 2020, als auch nochmal kurz vor RiP über die gesonderte Tickethotline. Denn, und jetzt kommt's; es hieß zu JEDER ZEIT, dass er überall sein Bändchen bekommt und entsprechend auch Zugang hat, da er sowieso kein Recht auf einen Rolliplatz hat und somit ein gesonderter Check-In hinfällig wäre, bzw. er auch dazu keine Berechtigung hätte.
Dazu nachher aber noch mehr.
Kurz zu seiner Hintergrundgeschichte: Er hat eine Gehbehinderung eine eine weitere körperliche Behinderung auf die ich hier nicht näher eingehen möchte, die ihm die "Berechtigung" für den Schwerbehindertenausweis "gibt". Seine Gehbehinderung erlaubt ihm ein paar Meter, an guten Tagen auch den ein oder anderen Kilometer zu laufen, aber dies definitiv mit Zwischenpausen zum hinsetzen und ausruhen.
Weiter im Text:
Inzwischen war es kurz vor 8 Uhr und uns lief fürs Erste die Zeit davon, da mein Bruder zudem noch in die Schule für seine Prüfung musste. Ich hab ihm versprochen, dass ich eine Lösung gefunden habe, bis er wieder kommt. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie es mir innerlich das Herz zerrissen hat, ihn da wegwatscheln zu sehen, wieder mit dem Gefühl, dass er in sich getragen hat, dass es wieder wegen ihm zu Problemen kommt. Dass er wieder als was Besonderes behandelt wird, obwohl er das gar nicht will. Natürlich ist das auch ein hoch emotionales Thema für mich, keine Frage.
In der Zeit hat sich ein Teil von uns um den Zeltplatz gekümmert (an der Stelle ein Riesen Dankeschön nochmal an meine Leute!) und ein Teil hat mit uns außen vor C5 bei den Autos gewartet, denn ohne Bändchen, kein Zeltplatz. Eh klar. Zusammen haben wir dann vor Ort alles versucht möglich zu machen. Mehrfache Anrufe bei der Argo führten immer wieder zu der gleichen Bandansage "Leider sind wir gerade alle bei Rock im Park - schreibt uns aber gerne ne Mail", Eventim konnte uns nicht weiter helfen, wir sollten uns doch an Argo direkt wenden. Haha.
Unsere gesamte Truppe probierte es bei den unterschiedlichsten Medien (StarFM, Gong, Funkhaus, SZ,etc.), die auch alle verdammt bemüht waren, aber keiner konnte uns weiter helfen.
Ein Mitarbeiter vom Ticketing der NN (Schließlich einer der Sponsoren) war unfassbar bemüht und hat über 40 Minuten alles getan, um uns irgendwie weiter zu helfen. Aber auch nachdem er zig mal alle Stellen vor Ort abtelefoniert hatte (zum Glück hatte er über mehrere Wege die Terminals erreicht), kam nur die ernüchternde Aussage, dass wir auch am Check-IN C kein Bändchen bekommen werden (da nur Rollifahrer) und uns höchstens noch das Stadion bleiben würde als letzter Versuch.
Okay. Fein. Aber auch hier das Problem: Wie bringe ich meinen gehbehinderten Bruder vom Volksfestplatz zum Stadion, vor allem, wenn ich dafür mit ihm um das gesamte Gelände, vorbei an Obi & Co laufen müsste, wenn die Autos schon eingeparkt sind und natürlich schon das ein oder andere Bier geflossen ist.
Mit der Info machte ich mich dann auf den Weg zur S-Bahn Station um ihn wieder abzuholen. Option A: Taxi. Option B: E-Scooter.
Option A war nicht vorhanden, alle Taxen wurden vorbestellt und auf unsere Anrufe hin, hätten wir mindestens 1-2 Stunden warten müssen.
E-Scooter haben wir sage und schreibe !2! Stunden versucht frei zu schalten, was dann letzten Endes am Netz scheiterte.
Somit blieb mir doch nur noch eine Option: das Auto.
Inzwischen hatten wir 14.30 Uhr, ich hatte seit 7 Uhr kein Bier mehr angerührt und ich fragte einen Security (mit der Kurzform der Geschichte) an den Parkplätzen, ob ich die Möglichkeit habe, wieder vom Platz zu fahren und dort auch wieder hin komme. Der Mann war sowas von lieb und auf Zack (verstand unsere Situation auch vollkommen) und funkte dann seine Kollegen (ich nehme an, er hatte was zu sagen) an, die mich dann aus der Lücke wiesen (wir waren zugeparkt) und mir einen Berechtigungsschein ausstellten, dass ich dort wieder parken durfte.
Ihr denkt das wars noch nicht? Es kommt noch besser...
Los ging es Richtung Stadion. Wir wurden dann von den Securities Richtung Zeppelinstraße geführt, von dort aus dann, mit der Info, wir seien da richtig, zu Terminal B. Kurz vorher geparkt, dort hin gelaufen, den netten Damen die Situation geschildert, in der Hoffnung, wir bekommen jetzt die Bändchen.
Mit den Worten "Also hier seid ihr falsch", holte die Dame dann den Lageplan raus.
Das war der Moment, wo ich das erste Mal die Fassung, aber dennoch freundlich, verloren hab.
Ich konnte wortwörtlich nicht mehr und war trotz aller Erfahrungen und Vorinformationen mit meinem Latein am Ende.
Ich entschuldigte mich sofort bei der Dame und sie zeigte maximalstes Verständnis für unsere Situation, wusste aber nicht so recht wohin mit uns.
Ihre Kollegin bekam das Ganze mit und fing sofort an zu telefonieren. Ihr werdet nicht erraten, mit wem sie telefoniert hat. Richtig - mit Check-In C! Die ihr dann bestätigten, dass wir auch dort falsch gewesen wären.
Das Stadion wäre wahrscheinlich, laut den Damen richtig gewesen, nur wären wir A dort nicht mit dem Auto hin gekommen und B, hatte es wohl zu dem Zeitpunkt ebenfalls nicht offen.
Und dann geschah nahezu das Wunder; Die Kollegin setzte sich auf den Scooter, fuhr zum Mitarbeiterzelt das scheinbar hinten den Tribünen war mit unseren Tickets im Schlepptau und kam wieder mit unseren aufgeladenen Bändchen.
Ein vielfaches hoch auf diese beiden Damen, die uns wirklich das Herz erwärmt haben und uns einfach das Gefühl gegeben haben, dass wir verstanden werden. Trinkgeld wollten sie par tout nicht annehmen. Auch wenn sie das niemals lesen werden; ein herzliches Dankeschön auch an euch!
Das zurückfahren + parken hatte dann einwandfrei funktioniert und so konnten dann auch wir gegen 16 Uhr das erste Mal auf den Zeltplatz. Jippie!
Nun zum weiteren Verlauf im Thema Inklusion:
Freitag verlief super, ohne jegliche Probleme. Sowohl beim Eintritt in die Eventarea, als auch auf den Campingplatz etc.
Samstag Abend trafen ein Freund und ich kurz vor Green Day beim Getränke holen auf eine Rollifahrerin, die offensichtlich Hilfe suchte und alleine war, da sie ihre Freunde verloren hat. Sie wollte auf die Rollibühne, wollte sich aber nicht alleine durch die Menge wagen. Wir schnappten sie uns und brachten sie zur Tribüne in der Mitte der Centerstage. Wir konnten sie sogar ohne Probleme auf die Tribüne zu zweit fahren (welch Ironie.. auf einmal hat es keinen interessiert, was wir für Bändchen um haben) und kamen mit ihr über das gesamte Thema ins Gespräch. Sie hatte Ähnliches wie wir hinter sich bei der Bändchenvergabe. Denn Check-In C war für Rollifahrer geschlossen.. Witz komm raus, ich kann echt nicht mehr, dachte ich mir. Der Unterschied; sie war alleine. Sie hatte zu dem Zeitpunkt niemanden, der sie dorthin bringen konnte, so musste sie den Weg auf sich alleine nehmen. Da fehlen mir schlichtweg die Worte.
Als krönenden Abschluss, versuchte dann eine Rollifahrerin neben uns sich Getränke am hinteren Gelände zu holen, da direkt dahinter ein Getränkestand war. Keine Chance, sie wurde ignoriert. Als ich das mitbekam, probierte ich mein Glück. Zwei Mitarbeiter am Getränkestand teilten mir dann mit, dass sie "für da oben" nichts ausschenken.
Ist doch nett - als wäre man nicht schon gestraft genug, darf man dann auch noch die Tribüne wieder runter schlittern, ringsherum durch das erdige Gelände fahren um dann mit viel Glück gesehen zu werden um an Getränke zu kommen. Wahnsinn!
Eine Mitarbeiterin nahm sich dann dem an, um schenkte mir Getränke für ein paar Rollis oben aus.
(Klar, ich hätte ohne Problem dort hin laufen können, aber wer hätte mir garantiert, dass ich wieder hoch komme?).
Auch hier; Inklusion absolut Fehlanzeige.
Samstag Nacht waren mein Bruder und ich alleine auf den Weg zum Campingplatz. Als wir durch die Kontrolle durch C5 gingen, wurde mein Bruder (nicht ICH!) angehalten, dass er mit dem Bändchen hier nichts zu suchen hat, er sei hier falsch. Als ich fragte, wo denn das Problem sei (der selbe Security kontrollierte uns auch schon die Nacht zuvor), kam die wortwörtliche Aussage: "Behinderte haben hier nichts zu suchen!".
Wie ich reagiert hab, will ich hier gar nicht schildern. Fand die Reaktion von einem anderen, der gerade durch die Kontrolle ging dann aber recht zum schmunzeln, der das mitbekam und zu dem Security meinte "Was willst dann du hier?". Naja.
Ich zeigte ihm dann sein auf dem Tisch aufgeklebte Bändchen-Fibel, in dem das Bändchen klar aufgezeigt war für den Einlass. Nach ein bisschen rumgemotze von ihm und einer erneuten Taschenkontrolle bei mir inkl. komplett Abtasten, durften wir dann durch. Unnötig as fuck.
(An einem anderen Tag wollte er unsere Bluetooth-Box nicht mit rein lassen, da keine Boxen erlaubt wären auf dem Zeltplatz, aber das hatten ja einige).
Sonntags verlief auch alles gut. Kleine lustige Geschichte am Rande; ein Freund, der extern geschlafen hat, hatte Kuchen mitgebracht, da einer aus dem Camp Geburtstag hatte. Er musste 15 Minuten diskutieren, da keine Lebensmittel auf dem Zeltplatz erlaubt wären. Ich lach mich heute noch schlapp.
Worüber ich mich aber nicht mehr schlapp lache, ist dann die erneute Kontrolle in der Nacht, um zurück zum Zeltplatz zu kommen.
Wieder das gleiche Spielchen. Er kommt hier nicht rein, Behinderte müssen wo anders hin (diesmal ein anderer Security, der von Samstag stand aber daneben), bla bla bla. Ich war nur ein paar Meter hinter meinem Bruder, bekam das Ganze dann aber mit. Und obwohl, er schon durch gelassen wurde, konnte ich nicht anders, als den Security darauf anzusprechen. Ich fragte ihn wirklich höflich, ich versuchte die Beherrschung zu wahren, ob er mir erklären kann, wo denn jetzt schon wieder das Problem lag. Seine phänomenale Antwort: "Naja, Behinderte sind hier halt schwierig." Auf meine Frage hin, wieso sie denn schwierig sind, pampte er mich an, ich soll mich nicht anstellen, er ist ja schließlich drin. Fragte ihn dann, ob es denn nicht langsam reichen würde mit den Diskriminierungen und das einfach nicht in Ordnung ist, wenn es doch ganz klar erlaubt ist. Daraufhin siezte (!) er mich dann, forderte mich auf zu gehen, oder er schneidet mir das Bändchen ab. Ich hielt ihm sogar meinen Arm hin und bot ihm an, es abzuschneiden. Aber daraufhin kam dann nur noch ein wiederholtes "Gehen Sie weiter!". Naja. Auch schon Wurscht, oder?
Auch hier nochmal ein Riesen DANKESCHÖN, an jeden Einzelnen, der uns weiter geholfen hat oder es zmd. probiert hat und an jeden, der das hier alles bis hier hin gelesen hat.
Natürlich bin ich in dieses Thema emotional verwickelt. Aber sowas darf definitiv nicht auf einem Festival wie Rock im Park statt finden. Sowas darf es generell nicht geben.
Menschen mit Behinderung haben es schon schwer genug. Schwerbehindert bedeutet nicht automatisch, dass man im Rollstuhl sitzt. Aber auch da hat man ja gesehen, dass man es (leider) nicht einfacher hat.
Wie kann es sein, dass es gerade Menschen, denen es so einfach wie möglich gemacht werden sollte, so schwer gemacht wird?
Wir alle haben dieses Wochenende gefeiert ohne Ende, weil es sich endlich wieder nach Normalität angefühlt hat. Wieso lässt man dann zu, dass sich solche Leute eben nicht normal fühlen?
Ich finde das eine absolute Schande. Und das, obwohl ich dieses Festival vergöttere und ich es wie mein 2. Zuhause seit 10 Besucherjahren sehe.
Es ist nicht das erste Mal, dass meinem Bruder sowas vor Ort widerfahren ist, aber das erste Mal in dieser geballten Power.
Da muss ganz ganz ganz dringend Handlungsbedarf her! Und zwar für alle Beteiligten.
Wir sind weiter dran das mit Argo zu klären. Bis jetzt ohne Erfolg. Auf unsere E-Mail kam die Antwort, dass sich unser Problem doch sicherlich schon gelöst hat. Jaja.. das ist dann das neue "in Kürze".
Auch hier nochmal ein großes Dank an
@Balu, der uns vor Ort mit seinem großen Herz versucht hat zu helfen wo er nur kann.
Und generell an diese große Bereitschaft von den ganzen grandiosen Leuten drum herum, die das mitbekommen haben und uns helfen wollten! Das ist schon Wahnsinn und berührt das Herz!