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Paris (dpa) - Das Nein der Franzosen zur EU-Verfassung hat in Paris ein innenpolitisches Erdbeben ausgelöst. Präsident Jacques Chirac, für den die Absage der Bürger auch eine schwere persönliche Niederlage bedeutet, führte am Montag Konsultationen über eine tief greifende Umbildung seiner konservativen Regierung.
Als beliebtester Kandidat für die Nachfolge des glücklosen Premierministers Jean-Pierre Raffarin galt nach Umfragen der Vorsitzende der Regierungspartei UMP, Nicolas Sarkozy. Chirac hingegen soll seinen engen Vertrauten, Innenminister Dominique de Villepin, favorisieren.
Raffarin, der am Morgen von Chirac empfangen wurde, kündigte «Entwicklungen» auf Regierungsebene noch für Montag oder Dienstag an. Später sprach Chirac mehr als eine Stunde lang mit Sarkozy, der auch sein innerparteilicher Widersacher ist.
Bei dem Referendum hatte am Sonntag eine deutliche Mehrheit von 54,87 Prozent mit Nein gestimmt. Nur 45,13 Prozent der Franzosen votierten für das Vertragswerk. Wichtigster Grund für die Ablehnung sei die Furcht vor einem Anstieg der Arbeitslosigkeit, hieß es nach einer Umfrage des Instituts TNS-Sofres für die Tageszeitung «Le Monde» (Dienstagausgabe). An zweiter Stelle wurde «Überdruss mit der gegenwärtigen Situation» genannt. «Die Bürger haben ihre Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik dokumentiert und ihre Ängste vor einer zu raschen Erweiterung Europas geäußert», erklärte der Leiter des Meinungsforschungsinstituts IPSOS, Pierre Giacometti. In Umfragen war die Verfassung auch als «zu liberal» befunden worden.
An der Börse hatte der negative Ausgang des Votums kaum Auswirkungen, da zunächst der wirtschaftspolitische Kurs einer neuen Regierung abgewartet wurde. Führende Politiker des Nein-Lagers forderten den Rücktritt von Chirac. Bei den Sozialisten gab es Forderungen nach Neuwahlen. Dort droht ein Machtkampf zwischen dem Parteivorsitzenden François Hollande, der das Ja unterstützt hatte, und seinem Vize, Ex-Premier Laurent Fabius, der Wortführer der Verfassungsgegner ist.
Der französische Außenminister Michel Barnier sieht als Folge des Votums eine «Gefahr für die deutsch-französischen Zielvorstellungen» über ein sozialeres Europa. «Zum ersten Mal in 50 Jahren haben Deutsche und Franzosen unterschiedliche Positionen über eine grundlegende europäische Frage», sagte Barnier im Fernsehsender France 2. Deutschland hatte die EU-Verfassung am vergangenen Freitag ratifiziert.
Die wochenlangen leidenschaftlichen Debatten über Für und Wider der Verfassung haben zu einer unerwartet hohen Mobilisierung der Wähler geführt. Die Beteiligung von 69,7 Prozent entsprach der bei dem Referendum über den Vertrag von Maastricht 1992.
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erschienen am 30.05.2005 um 15:32 Uhr
© WELT.de
Als beliebtester Kandidat für die Nachfolge des glücklosen Premierministers Jean-Pierre Raffarin galt nach Umfragen der Vorsitzende der Regierungspartei UMP, Nicolas Sarkozy. Chirac hingegen soll seinen engen Vertrauten, Innenminister Dominique de Villepin, favorisieren.
Raffarin, der am Morgen von Chirac empfangen wurde, kündigte «Entwicklungen» auf Regierungsebene noch für Montag oder Dienstag an. Später sprach Chirac mehr als eine Stunde lang mit Sarkozy, der auch sein innerparteilicher Widersacher ist.
Bei dem Referendum hatte am Sonntag eine deutliche Mehrheit von 54,87 Prozent mit Nein gestimmt. Nur 45,13 Prozent der Franzosen votierten für das Vertragswerk. Wichtigster Grund für die Ablehnung sei die Furcht vor einem Anstieg der Arbeitslosigkeit, hieß es nach einer Umfrage des Instituts TNS-Sofres für die Tageszeitung «Le Monde» (Dienstagausgabe). An zweiter Stelle wurde «Überdruss mit der gegenwärtigen Situation» genannt. «Die Bürger haben ihre Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik dokumentiert und ihre Ängste vor einer zu raschen Erweiterung Europas geäußert», erklärte der Leiter des Meinungsforschungsinstituts IPSOS, Pierre Giacometti. In Umfragen war die Verfassung auch als «zu liberal» befunden worden.
An der Börse hatte der negative Ausgang des Votums kaum Auswirkungen, da zunächst der wirtschaftspolitische Kurs einer neuen Regierung abgewartet wurde. Führende Politiker des Nein-Lagers forderten den Rücktritt von Chirac. Bei den Sozialisten gab es Forderungen nach Neuwahlen. Dort droht ein Machtkampf zwischen dem Parteivorsitzenden François Hollande, der das Ja unterstützt hatte, und seinem Vize, Ex-Premier Laurent Fabius, der Wortführer der Verfassungsgegner ist.
Der französische Außenminister Michel Barnier sieht als Folge des Votums eine «Gefahr für die deutsch-französischen Zielvorstellungen» über ein sozialeres Europa. «Zum ersten Mal in 50 Jahren haben Deutsche und Franzosen unterschiedliche Positionen über eine grundlegende europäische Frage», sagte Barnier im Fernsehsender France 2. Deutschland hatte die EU-Verfassung am vergangenen Freitag ratifiziert.
Die wochenlangen leidenschaftlichen Debatten über Für und Wider der Verfassung haben zu einer unerwartet hohen Mobilisierung der Wähler geführt. Die Beteiligung von 69,7 Prozent entsprach der bei dem Referendum über den Vertrag von Maastricht 1992.
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erschienen am 30.05.2005 um 15:32 Uhr
© WELT.de