Freitag 21. Januar 2005, 14:16 Uhr
Eine «messianische Rede»
Washington (AP) US-Präsident George W. Bush hat seine zweite Amtszeit mit einem offensiven außenpolitischen Postulat begonnen, das viele Fragen offen lässt. In seiner Antrittsrede am Donnerstag versprach er, Freiheit in die dunkelsten Ecken der Welt zu tragen. Bush ließ jedoch offen, wie weit er gehen würde, um die Demokratie in allen Teilen der Welt zu verankern, und wo er die Grenze zieht.
Würde er sich etwa auf einen Konflikt mit China einlassen, um die asiatische Großmacht nach seinen Vorstellungen zu demokratisieren? Oder würde Bush die Klingen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kreuzen, um einen Rückfall Russlands in autoritäre Zeiten zu verhindern, wie er sich in jüngster Zeit andeutete? Wie nachdrücklich würde sich der Präsident für Frauenrechte und freie Wahlen in Saudi-Arabien, Kuwait und Ägypten einsetzen?
In seiner Rede verknüpfte Bush die Sicherung der Freiheit in den USA mit der Freiheit in anderen Teilen der Welt. In Anspielung auf die Anschläge vom 11. September 2001 sagte der Präsident: «Wir sind durch die Ereignisse und den gesunden Menschenverstand zu dem einen Schluss gelangt: Der Fortbestand der Freiheit in unserem Land hängt in zunehmendem Maße vom Gelingen der Freiheit in anderen Ländern ab.»
«Bushs Rede war in vielerlei Hinsicht messianisch», sagte der Historiker und Präsidentenexperte Thomas Cronin. «Er will einfach die Rolle eines Internationalisten spielen und im Namen all jener kämpfen, die den weltweiten Terrorismus bekämpfen. Es war eine Proklamation, die einem Kreuzzug gleichkommt.»
Bei vielen Amerikanern werde Bush damit aber keinen Zuspruch finden, sagte Cronin, der Präsident des Whitman College in Walla Walla im Staat Washington ist. Immerhin sei mittlerweile eine Vielzahl der Amerikaner der Ansicht, dass derzeit zu viele US-Soldaten im Ausland seien. Außerdem stehe Bushs neue Politik im Widerspruch zu seiner Weltsicht vor dem 11. September 2001 und den traditionellen konservativen Dogmen.
Einige politische Experten stufen Bushs Erklärungen als beunruhigend ein und setzen viele Fragezeichen. «Es ist schön und gut zu sagen, dass man die Freiheit schätzt und die Sklaverei nicht mag. Niemand wird dem widersprechen», meinte Stephen Wayne, Historiker an der Georgetown University. «Aber wenn man es mit anderen Leuten zu tun hat, die in anderen Systemen leben und andere Vorstellungen haben, inwieweit will man denen die eigenen Ansichten und Wertvorstellungen aufzwingen?», fragte Wayne.
Auch Bush selbst erkennt immerhin an, dass es in einigen Teilen der Welt Gewohnheiten und Traditionen gibt, die sich von denen der Amerikaner sehr unterscheiden. «Amerika wird seinen Regierungsstil nicht jenen aufdrängen, die ihn nicht haben wollen», sagte er in seiner Antrittsrede. Ziel der USA sei es stattdessen, anderen dabei zu helfen, für sich selbst zu sprechen, ihre Freiheit zu erlangen und ihren eigenen Weg zu finden. Bush äußerte sich aber nicht dazu, was er zu tun gedenke, wenn andere Gewohnheiten und Traditionen sich nicht mit Freiheit und Demokratie vereinbaren ließen.
Parteigänger Bushs wie etwa der republikanische Senator Orrin Hatch argumentieren, der Präsident habe nur allgemein gesprochen und nicht die Kriegstrompete zum verstärkten militärischen oder diplomatischen Einsatz in Übersee geblasen. Senator Patrick Leahy von den oppositionellen Demokraten sagte dagegen, einige Verbündete der USA wie Ägypten, Saudi-Arabien und Pakistans müssten von der Rede Bushs alarmiert sein, da in ihren Ländern die von Bush hochgehaltenen Prinzipien keine Gültigkeit hätten.
Aber auch die designierte Außenministerin und bisherige Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice ließ vor wenigen Tagen bei einer Anhörung im Senat mögliche militärische Abenteuer erahnen, als sie den Iran, Nordkorea, Kuba, Birma, Weißrussland und Simbabwe als «Außenposten der Tyrannei» ausmachte. Und mit Blick auf die Atompläne Teherans sagte Vizepräsident Dick Cheney am Donnerstag, der Iran stehe auf der Liste der möglichen Krisenpunkte ganz oben.
@das rot Gekennzeichnete: Da hat er vollkommen Recht, aber ob ein Bush das wirklich genauso sieht, darf zumindest angezweifelt werde.