Das Thema Zeitreisen und Parallel-Universen in einem straighten Psycho-Thriller verpackt? Das ruft zwangsläufig die gestrengen Wächter der Logik auf den Plan. Genau damit hat auch Eric Bress’ und J. Mackye Grubers „Butterfly Effect“ hart zu kämpfen. Spannend und packend inszeniert bietet der Film über die gesamte Spielzeit einiges an Spaß, aber die Fallstricke des Plausiblen machen dem Vergnügen am Ende einen dicken Strich durch die Rechnung, so dass aus dem Low-Budget-Thriller lediglich ein Film wurde, der sich knapp über den Durchschnitt rettet.
Evan (als Erwachsener: Ashton Kutcher; als 13-Jähriger: John Patrick Amedori; als 7-Jähriger: Logan Lerman) hat eine harte Kindheit hinter sich. Er leidet unter schweren Blackouts, die ihn später nicht mehr wissen lassen, was er getan hat. Das ängstigt seine Mutter Andrea (Melora Walters) fast zu Tode. Er malt Bilder von Massakern oder steht plötzlich mit einem Messer in der Hand vor seiner Mutter und kann sich an nichts erinnern. Ein traumatisches Erlebnis bringt seine Welt vollkommen aus den Fugen. Mit seinen Freunden Lenny (Elden Henson; Kevin Smith; Jake Kaese), Tommy (William Lee Scott; Jesse James; Cameron Bright) und Kayleigh (Amy Smart; Irene Gorovaia; Sarah Widdows) heckt er einen tödlichen Streich aus, bei dem aus Versehen eine Mutter und ihr Baby ums Leben kommen. Andrea und Evan ziehen aus der Stadt. Als Student wird Evan, der seine Gedanken in zahlreichen Tagebüchern festhält, immer noch von den Blackouts heimgesucht. Eines Tages geschieht das Unfassbare. Durch eine Art Meditation ist er in der Lage, sich zurück in die Vergangenheit zu versetzen und dort die Abläufe zu verändern. Er will den tödlichen Vorfall und einen Fall von Kindesmissbrauch posthum ungeschehen machen. Als er wieder aufwacht, hat sich plötzlich seine Gegenwart geändert, doch auch wenn er Dinge zum Positiven gewendet hat, sind dafür andere komplett aus dem Ruder gelaufen. Evan versucht, erneut in die Vergangenheit zurückzugehen. Mit fatalen Folgen...
Der Begriff Schmetterlingseffekt kommt aus der so genannten Chaostheorie. Auf den Punkt gebracht bedeutet das, dass der Schlag eines Schmetterlingsflügels im Amazonas-Urwald einen Orkan in Europa auslösen kann. Bei mathematischen Wetterberechnungen des Meteorologen Edward Lorenz im Jahr 1963 kam heraus, dass minimale Abweichungen - vergleichbar mit der Wirkung eines Schmetterlingsflügelschlags - der Kalkulation die weiteren Ergebnisse so stark von der Ursprungsdefinition entfernen, dass es zu ausufernden Konsequenzen kommen kann. In diesem Sinne ist der Titel „The Butterfly Effect“ passend gewählt, auch wenn die Veränderungen der Geschichte schon von einem überdimensionalen Schmetterling, der mit einem Holzhammer im Gepäck unterwegs ist, stammen müssten. Die Eingriffe in das Raum-Zeit-Kontinuum sind doch von gröberer Natur als die eines zarten Falters.
Die beiden Kino-Debütanten Eric Bress und J. Mackye Gruber, die sich mit dem Drehbuch zu „Final Destination 2" die Eintrittskarte nach Hollywood sicherten, gingen mit einem schmalen Budget von 13 Millionen Dollar an den Start. An der US-Kasse überraschten sie mit „The Butterfly Effect“ als Nummer-1-Hit, der satte 58 Millionen Dollar einspielen konnte. Das hat sicherlich Gründe. Der Science-Fiction-Psycho-Thriller bietet rastlose, nie langweilige Unterhaltung auf solidem Niveau – jedenfalls so lange sich der Besucher keine allzu großen Gedanken um die Logik des Ganzen macht.
Mit Ashton Kutcher („Ey Mann, wo is’ mein Auto“, „Voll verheiratet") und Amy Smart („Rat Race", „Starsky und Hutch", „Total verknallt in Tad Hamilton") verfügt „The Butterfly Effect“ über zwei charismatische Jungstars, die die zunehmend konfusere Geschichte tragen können. Neben den Thriller- und Zeitreise-Elementen mischen Bress und Gruber geschickt eine Portion Psycho-Horror in die Story. Die Idee von der Reise zurück in die Zeit und möglichen Parallel-Universen, die zuletzt in Richard Kellys brillantem Kult-Trip „Donnie Darko“ hervorragend funktionierte, haben sich auch die beiden Hot Shots auf die Fahnen geschrieben.
Dazu packen sie eine Flut von Story-Twists in ihren Film, so dass der Adrenalinpegel des Publikums oben gehalten wird. Allerdings übertreibt das Regie-Doppel den Wahn nach immer kühneren Wendungen mit der Zeit, was ein wenig ermüdend wirkt. Doch mit dem scheinbar letzten großen Schlag gegen das Hirn der Besucher erreicht „The Butterfly Effect“ plötzlich ein gesundes Maß an Logik. Diese düstere, Happy-End-untaugliche Wendung ist sicherlich nicht in „The Sixth Sense"-Dimensionen anzusiedeln, begeistert aber dennoch und hat den Charme eines gerissenen Low-Budget-Bastards. Wäre doch „The Butterfly Effect“ nur an dieser Stelle zu Ende. Dann hätte sich der Film gewiss ein bis zwei Punkte mehr verdient. Leider zertrümmern sich Bress und Gruber mit einem weiteren Twist ihr komplettes Logik-Kartenhaus und setzen ihre Geschichte unfreiwillig dem Nonsens aus. Ob es die Konvention an ein Hollywood-Ende war oder einfach Unvermögen, bleibt ungeklärt.
Der vermurkste Schluss kann die Kurzweiligkeit von „The Butterfly Effect“ zwar nicht vollends zerstören, aber der Gedanke, dass sich Bress und Gruber den allerletzten Paukenschlag doch besser verkniffen hätten, drängt sich förmlich auf. So ist ihnen eine unterhaltsame, aber im Endeffekt konfuse Genre-Stilübung gelungen, die mehr sein will, als sie in Wirklichkeit ist. Das ist sehr schade, denn Talent, ihr Publikum zu fesseln, haben die Regie-Novizen sicherlich.
Filmstart Deutschland: 26.8.2004
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