Das Mittelfeld wird mein ungeliebtes Stiefkind, das merk ich schon. Macht einfach nicht so viel Spaß, über Alben zu schreiben, bei denen ein paar Prozent gefehlt haben, um mich ernsthaft zu kicken, aber auch nicht genug Prozent gefehlt haben, um nen ordentlichen Verriss zu bekommen. Allerdings waren hier auch genug starke Releases dabei, um genug Motivation dazu zu finden, Glück gehabt.
Knapper als gedacht an den Highlights gescheitert ist
Ezra Furman, dessen neues Album
Transangelic Exodus mir dankenswerterweise von
@Jimmy Pop empfohlen wurde. Kannte den Künstler bisher überhaupt nicht, also hab ich natürlich erst mal Wikipedia bemüht. "Der offen bisexuell lebende Cross-Dresser ist jüdischen Glaubens und trägt gelegentlich eine Kippa." - ich musste erst mal lachen, weil es sich wirklich abstrus las. Allerdings gibt es einem auch eine ungefähre Idee dafür, warum sich das Album - ein Konzeptalbum, über dessen Handlung ich gar nicht zu viel schreiben will, denn es lohnt sich wirklich sehr, diese im Verlauf des Albums selbst zu entdecken - so anhört und entwickelt, wie es der Fall ist. Ich fühlte mich in den für mich stärksten Momenten an David Bowie in seiner Ziggy Stardust-Phase erinnert, und während ich dies schreibe, muss ich mich eigentlich selbst fragen, warum das Album dann nicht in den Highlights auftaucht. Die ganze Wahrheit: Vermutlich konnte ich es noch nicht oft genug hören, um es komplett zu verstehen. Fakt ist: Das Album ist stark, verdammt stark, es berührt emotional und schrammelt ordentlich drauf los, je nachdem, wie es nötig ist. Dieses Werk wird noch wachsen, da bin ich mir sicher.
Ebenfalls eigentlich zu stark, um mit dem biederen Begriff "Mittelfeld" abgekanzelt zu werden ist
Leather Teeth, der Auftakt einer neuen Trilogie von
Carpenter Brut. Meiner Entdeckung von Perturbator letztes Jahr folgte eine spontane und absolut bedingungslose Liebe für Synthwave. Das ist die Musik, auf die ich mein Leben lang gewartet habe, ohne es zu wissen, glaube ich manchmal. Diesmal gibts sogar zwei geniale Gastauftritte am Gesang, zum einen von Kristoffer Rygg von Ulver und zum anderen von Mat McNerney von Grave Pleasures und Hexvessel. Atmosphäre steht mal wieder über allem, aber sie ist längst nicht mehr so dunkel und abgrundtief, wie noch auf einigen Stücken der vorangegangen Releases, das Werk wirkt nach den ersten Durchläufen vielschichtiger und künstlerisch gefestigter, als die Vorgänger. Auch hier gibt es einen sehr banalen Grund, warum es nicht ganz für die Highlights gereicht hat, ich glaube, dass das Werk noch deutlich wachsen wird, wenn man weiß, welchen Platz es in der angekündigten Trilogie einnehmen wird.
Black Trip, die ich im Necrophobic-Abschnitt schon mal kurz erwähnt hatte, haben zwei starke Gitarristen verloren, und als würde das nicht reichen, brauchten sie auch noch einen neuen Namen. Jetzt firmieren sie als
Vojd, haben mit
The Outer Ocean das erste Album unter neuem Namen veröffentlicht, wissen aber selbst, dass das genug Neuerungen waren und haben sich dazu entschlossen, dass zumindest im qualitativen Sektor bitte etwas Konstanz herrschen soll. Hat funktioniert, der klassische Heavy Metal mit der ein oder anderen Tendenz zum okkulten funktioniert nach wie vor ganz hervorragend. Einzig muss man leider festhalten, dass die klassischen Spielarten des Metal nie mein größtes Steckenpferd waren und dies vermutlich auch einfach nicht mehr werden. Ein gutes Album bleibt allerdings auch einfach ein gutes Album, das muss man einfach mal so festhalten. Mindestens
@Frankenstolz wird hier große Freude dran haben.
Tatsächlich näher an der Enttäuschung, als an den Highlights war das selbstbetitelte Debüt von
Legend Of The Seagullmen. Die Mischung aus prominenten Musikern und einer überaus starken ersten Vorabsingle (Shipwrecks) haben die Erwartungen in mir leider deutlich zu hochgeschraubt, denn auch wenn
Legend Of The Seagullmen beileibe kein schlechtes Album ist, es ist mit seinem fast schon hörspielhaftem Charakter (ohne abgesehen von einem gewissen Konzept auch nur mit irgendeinem Element wirklich an Hörspiele zu erinnern - macht das Sinn? Nein? Auch gut) schlicht und einfach nicht das, was ich gerne gehört hätte. Wenn man bedenkt, dass da Leute von Mastodon und Tool federührend sind, hätte das alles gerne ne Spur proggiger, mindestens verspielter ausfallen dürfen. Übrig bleiben aber "nur" geradlinige Rocksongs ohne größere Spielereien - was die Songs aber wie gesagt keineswegs schlecht macht. Das Album könnte einigen hier durchaus Spaß machen, denn es rockt oft genug wirklich schön geradeaus.