Minarett Initiative

seb

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Ich finde die Argumentation in Richtung 'Die anderen lassen doch auch keine Kirchen bauen', etc.. ziemlich lächerlich. Man sollte nicht immer auf die anderen zeigen, sondern selbst als gutes Vorbild vorangehen. Als nächstes sagen dann die muslimischen Länder, dass die Schweizer es verbieten Minarette zu bauen und haben damit eine "Legitimation" den Bau von Kirchen zu verbieten. So schaukelt sich das doch nur weiter hoch.

Ich fand den Kommentar heute morgen in der Süddeutschen Zeitung recht passend: "Man sollte zumindest erstmal lernen, nebeneinander zu leben um irgendwann miteinander leben zu können". Dafür war dies zumindest in der Schweiz ein Schritt in die falsche Richtung.

Selbst die CSU (die vor Jahren schon vor der Islamisierung Bayerns gewarnt hat), fand nur skeptische Worte gegenüber dem Beschluss.

Mich selbst bestärkt es nur in meiner Ansicht, dass sich alle Religionen insache Intoleranz und teilweiser Menschenverachtung nichts nehmen. Und da sind gerade die Christen heutzutage ganz vorne mit dabei (es ist definitiv wieder deutlich eine Radikalisierung des Glaubens zu spüren und das betrifft nicht nur die Evangelikalen in den USA).

Gut, darum geht es hier nicht, ich will mich hier auch auf keine religiösen Grundsatzdebatten einlassen, aber ich glaube, dass die humanistisch-evolutionäre Philosophie in einigen Punkten und Gefahren Recht hat und hatte, vor der sie schon vor Jahren gewarnt hat.
 
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McGuinness

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Du behauptest also ernsthaft, dass es die Religionsfreiheit nicht einschränkt, wenn man sein Gotteshaus nicht so bauen darf, wie man das gerne möchte? Gewagt.

*Kein* einziges Gebäude darf man so bauen, wie man es gerne möchte. Denn alle unterliegen den gesetzlichen Beschränkungen. Ich darf in einem Einfamilienhaus-Quartier kein Hochhaus hinstellen. Meine Schwester hat gerade ein Haus gebaut. Ihr hat die Gemeinde verboten, auf ihrem eigenen Grundstück ein Flachdach zu bauen, da dies dem "Ortsbild" nicht gerecht werde. Sie musste sich für ein Giebeldach entscheiden, gegen Ihre eigenen Wünsche. So schaut's heute in jeder westlichen Gesellschaft aus. Keiner ist frei, so zu bauen, wie er es will.

Dennoch wird niemandem pauschal der Bau eines Flachdaches verboten, oder? Und das ist der springende Punkt.

Ich fände diese Entscheidung in jedem Land falsch und verwerflich, unabhängig von wem sich letztendlich auf den Weg gebracht wird.

Na, zu Beginn des Threads hats aber aus deiner Ecke ganz anders getönt. Dein Einstiegsposting war ja mehr als nur ein subtiler Seitenhieb gegen die Schweiz. Erst jetzt, nachdem die Polls und Diskussionen zeigen, dass die Stimmung auch in Deutschland eine Ähnliche ist, beginnst du zu verallgemeinern ..

Also den Schuh lasse ich mir von Dir nicht anziehen. Ja, es war ein Seitenhieb auf die Schweiz, weil es (mal wieder) von dort einen aktuellen Fall zu vermelden gab. DU warst derjenige, der angefangen hat die Schweizer Entscheidung damit zu relativieren, dass es in Deutschland ähnlich aussehen könnte. Das mag ja wie gesagt durchaus sein. Aber darum geht es mir auch: Es ist nicht entscheidend, wo für diese Initiative eine Mehrheit gefunden wurde, sondern dass es überhaupt dazu kam.
€: Aber netter Versuch, mir Opportunität zu unterstellen. Klappt das heutzutage noch?
 
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gfc

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Ich finde die Argumentation in Richtung 'Die anderen lassen doch auch keine Kirchen bauen', etc.. ziemlich lächerlich. Man sollte nicht immer auf die anderen zeigen, sondern selbst als gutes Vorbild vorangehen. Als nächstes sagen dann die muslimischen Länder, dass die Schweizer es verbieten Minarette zu bauen und haben damit eine "Legitimation" den Bau von Kirchen zu verbieten. So schaukelt sich das doch nur weiter hoch.

Doch ich denke, es muss auch einmal gesagt werden, dass in vielen muslimischen Ländern es längstens Realität ist, den Bau von Kirchen zu verbieten. Berühmtestes Beispiel ist Saudi-Arabien. Denn dies scheint hierzulande gar niemanden zu interessieren bzw. fast ausnahmslos scheint das niemand zu wissen.

Aber du hast Recht, es ist natürlich keine optimale Argumentation. Aber: Ich find es geradezu lächerlich, dass Länder wie die Türkei und Ägypten jetzt die Schweiz kritisieren, die um Welten liberaler in allen Belangen ist, als sie selbst. Ist so, als würde Nepal den Holländern erklären wollen, wie man Deiche baut..

Dennoch wird niemandem pauschal der Bau eines Flachdaches verboten, oder? Und das ist der springende Punkt.

Und da geb ich dir Recht. Eine Einschränkung im Bau von Minaretten gehört definitiv nicht die Verfassung. So etwas gehört in Verordnungen oder maximal auf Gesetzesebene geregelt. Denn dann würden die gängigen Eskalationsmechanismen greifen und Betroffene könnten die lokalen, regionalen und nationelen Gerichte aufrufen. Die Gerichte würden dann in Einzelfall entscheiden und in einer Güterabwegung zwischen dem Gut Glaubensfreiheit und der Einschränkund der Verordnung / des Gesetzes entscheiden.

Das wäre der Optimalfall. Und genau das war es, was von vielen Seiten vorgeschlagen worden ist, u.a. selbst von den Initianten. Das ist gängiges Spiel in der Schweiz: Man "droht" mit einer Verfassungsinitiative, das Parlament macht entweder dazu einen abgeschwächten Gegenvorschlag oder setzt so einen direkt um (worauf die Initianten fast immer die Initiative zurückziehen).

Aber in diesem Fall hat das Parlament verzichtet. Man war sich seiner Sache so sicher, dass man eben eine gemässigte Lösung nicht in Betracht ziehen wollte. Ich mein, selbst 1 Woche vor der Abstimmung ging der Bundesrat davon aus, dass die Initiative mit 60% Nein-Stimmen abgelehnt wird.

Die Politik hat wie die Drei Affen gehandelt - nix sehen, nix hören, nix sagen. Es gibt augenscheinlich mehr als genug Schweizer, die Angst vor einer Islamisierung haben, ob berechtigt oder nicht. Aber anstatt dass man die Ängste ernst genommen hat und besprochen hat oder wenigstes mal den Leuten zugehört hätte, war man Ignorant. Und das Abstimmungsresultat ist nun die kausale und logische Folge dieses Politisierens am Volk vorbei.

Also den Schuh lasse ich mir von Dir nicht anziehen.

Jeder in dem Forum kann die Beiträge nachlesen und selbst entscheiden, wer welchen Schuh trägt.
 
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nitsche

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Mal ganz abgesehen vom rechtlichen und diskussionsfähigen Aspekt der ganzen Geschichte, ist es einfach ein Armutszeugnis, dass Menschen immer wieder lieber fremdes weg haben wollen, anstatt sich auf eine Situation einzulassen, aus der beide Kulturen bereichert hervorehen könnten.

Schönes Beispiel wäre Friedrich II. Der hat das Mitte des 13. Jh. schon gewusst...
 
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Mal ganz abgesehen vom rechtlichen und diskussionsfähigen Aspekt der ganzen Geschichte, ist es einfach ein Armutszeugnis, dass Menschen immer wieder lieber fremdes weg haben wollen, anstatt sich auf eine Situation einzulassen, aus der beide Kulturen bereichert hervorehen könnten.

Der Mensch fürchtet, was er nicht kennt. Das ist so. Gerade deshalb wäre eben genau der Dialog im Vorfeld, aber auch jetzt nach der Abstimmung umso wichtiger.
Schönes Beispiel wäre Friedrich II. Der hat das Mitte des 13. Jh. schon gewusst...

Das wusste Paulus 13 Jahrhunderte vor Friedrich II. auch schon (nachzulesen 1. Brief an die Korinther, Kapitel 8 ). Und 13 Jahrhunderte nach Friedrich II. wird's auch jemand wiederum wissen.

Das Problem ist nicht das Erkennen des Missstandes, sondern die Lösung von diesem. Und nur schöne Worte bringen eben nichts. Die nicht-muslimischen Gruppen sind ganz klar schuldig, dass sie sich nicht für die Muslime interessieren. Und die Muslime sind ganz klar schuldig, dass sie ihre Positionen nicht angemessen vertreten. Aber was nun? Die Lage wird ja nicht besser durch's philosophieren..
 
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gfc

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Mich selbst bestärkt es nur in meiner Ansicht, dass sich alle Religionen insache Intoleranz und teilweiser Menschenverachtung nichts nehmen. Und da sind gerade die Christen heutzutage ganz vorne mit dabei (es ist definitiv wieder deutlich eine Radikalisierung des Glaubens zu spüren und das betrifft nicht nur die Evangelikalen in den USA).

Gut, darum geht es hier nicht, ich will mich hier auch auf keine religiösen Grundsatzdebatten einlassen, aber ich glaube, dass die humanistisch-evolutionäre Philosophie in einigen Punkten und Gefahren Recht hat und hatte, vor der sie schon vor Jahren gewarnt hat.

Nun, ich möcht das nicht unbeantwortet im Raum lassen. Der kommunistische Atheismus hat auch eine Blutspur in Form von mehreren dutzenden Millionen an Toten alleine in Russland zu verantworten und spricht damit auch nicht gerade für die Friedfertigkeit des Nichtglaubens.

Das Problem ist nicht die Religion, das Problem sind die Menschen. Und die agieren unabhängig von der angehörigen Glaubensform barbarisch. Die Religion wird lediglich als Rechtfertigung für gemachte oder sowieso geplante Taten missbraucht.

Ich möcht das mit einem Zitat aus einem meiner Lieblingsbücher schliessen: The Hitchhiker's Guide to the Galaxy (Per Anhalter durch die Galaxis). Ich denk es trifft's ganz gut.

The major problem — one of the major problems, for there are several — one of the many major problems with governing people is that of whom you get to do it; or rather of who manages to get people to let them do it to them.
To summarize: it is a well known fact that those people who most want to rule people are, ipso facto, those least suited to do it. To summarize the summary: anyone who is capable of getting themselves made President should on no account be allowed to do the job. To summarize the summary of the summary: people are a problem.
 

nitsche

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Friedrich hat mit dieser "Politik" ein Weltreich regiert und es hat geklappt. Deswegen überhaupt nur das Beispiel.
Das es viele wissen ist eh klar.

Und dass der Mensch einfach so ist, ist ebenfalls klar. Ich wollt halt nur beisteuern, dass das bedauernstwert ist. Als Meinung sozusagen. ;)

btw: Friedrich II. (HRR), nicht Friedrich II. (Pr)!
 

seb

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Ich habe hier in keinem Satz den kommunistischen Atheismus erwähnt, das möchte ich auch nicht so stehen lassen. Dieser Begriff führt sowieso in die Irre - Die Religion wurde dort nur durch die Ideologie ersetzt. 'Politische Religion' wäre wohl ein passenderer Begriff.
Ich rede von einer lebenspraktischen, menschenfreundlichen Ethik, das hat mit Atheismus an sich nichts zu tun. Man kann dabei genauso gut 'religiös' sein!

Hierfür muss ich nun noch schnell den Begriff Ethik zur Moral abgrenzen:

'Moral' ist definiert als Abwägung der subjektiven Wertigkeit von Menschen vor dem Hintergrund vermeindlich vorgegebener, metaphysischer Beurteilungskriterien (gut oder böse).
'Ethik' hingegen beschreibt die objektive Angemessenheit von Handlungen anhand intersubjektiv festgelegter und immer wieder neu festzulegender Spielregeln (fair und unfair).

Das heißt, dass ich gewisse Regeln hinterfrage und zum Beispiel die 10 Gebote nicht als "für immer feststehende Moralinstanz" ansehe, sondern die positiven Aspekte behalte, die negativen entferne und weitere positive hinzufüge. (Wie sieht es aus mit Frauenrechten, etc..?)

Als Beispiel hier einfach mal das bekannte 1te Gebot:

"Wenn dein Bruder, der dieselbe Mutter hat wie du, oder dein Sohn oder deine Tochter oder deine Frau, mit der du schläfst, oder dein Freund, den du liebst wie dich selbst, dich heimlich (zu anderen Gottheiten) verführen will ... sollst du nicht nachgeben und nicht auf ihn hören. Du sollst in dir kein Mitleid mit ihm aufsteigen lassen, sollst keine Nachsicht für ihn kennen und die Sache nicht vertuschen. Sondern du sollst ihn anzeigen. Wenn er hingerichtet wird, sollst du als erster die Hand gegen ihn erheben, dann erst das ganze Volk. Du sollst ihn steinigen, und er soll sterben." Die Bibel, 5. Buch Mose 13,7-11; besser bekannt als Teil des ersten Gebots - ein Teil, der freilich aus naheliegenden Gründen meist weggelassen wird. Von 'Feindesliebe' oder Toleranz spüre ich da jedenfalls nur sehr wenig. Ich könnte da noch mehr menschenverachtende Stellen zitieren, zum Beispiel was Homosexualität und 'den Juden' als Feindbild betrifft (im neuen Testament).

Trotzdem gibt es genug Menschen, die so etwas nicht hinterfragen. (Im Großen natürlich so gut wie kaum in Europa, hier herrscht nur noch 'Christentum light', was im Prinzip mit der eigentlichen Lehre nichts mehr zu tun hat und durch die Aufklärung 'verwässert' wurde). Zum Beispiel sie aber hier der nun heilig gesprochene Opus-Dei Gründer Escriva zitiert: Ich nenne dir die wahren Schätze des Menschen auf dieser Erde, damit du sie dir nicht entgehen lässt: Hunger, Durst, Hitze, Kälte, Schmerz, Schande, Armut, Einsamkeit, Verrat, Verleumdung, Gefängnis" (und dies im 20. Jahrhundert!!)

In gewisser Weise kann man den Muslimen da gar keinen Vorwurf machen. Immerhin leben sie in ihrer Zeitrechnung noch im Mittelalter (Christentum: Hexenverbrennungen, Kreuzzüge, Ächtungen von 'Ketzern', etc...). Sie sind nunmal nicht mit den Memen [Gedankeneinheiten, die durch Kommunikation übertragen werden] aufgewachsen, die für uns 'westlich orientierte' Menschen so selbstverständlich sind (vor allem die allgemeinen Menschenrechte, die auch erst gegen die Kirche erkämpft werden mussten, etc..)

Und das Problem sind in einem erweiterten Sinne natürlich die Menschen, jedoch können sie an sich nichts dafür, da sie von Geburt an durch gewisse Meme sozialisiert werden. Und hier kommen wieder die tausendjahrealten Schriften ins Spiel die nicht hinterfragt werden DÜRFEN. Wenn man dies trotzdem wagt, durchbricht man gewisse Meme und kulturell angelernte Sozialisationsmuster (Dieses Problem begegnet übrigens jedem "Fremdem" (quasi aus einer Out-Group) in einer In-Group).

Man beschwört somit die Gewalt und Ablehnung des herrschenden Denkmusters auf sich. Der Fortschritt wird gebremst.

Als Lektüre empfehle ich dir diese Bücher:

Albert Einstein - Mein Weltbild

http://www.amazon.de/Jenseits-von-Gut-B%C3%B6se-besseren/dp/3866122128/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1259703094&sr=8-1

http://www.amazon.de/Manifest-evolution%C3%A4ren-Humanismus-zeitgem%C3%A4%C3%9Fe-Leitkultur/dp/3865690114/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1259704051&sr=1-1

Dies sind relativ komplexe Theorien, aber relativ einfach dargestellt und gut zu lesen. Sie zeigen ganz deutlich einen Weg auf, der zwar einerseits auf Gelassenheit, andererseits aber auf Mitgefühl beruht (übrigens auch etwas, das uns die Evolution beschert hat und wir den Tieren voraus haben - dank der Spiegelneurone). Lindern wir Leid eines anderen Menschen, steigern wir unser Wohlempfinden. Der Fatalismus wäre also eine völlig falsche Konsequenz.

Wir alle tragen gemeinsam mit allen Tieren einen millionenjahrealten Funken Leben in uns, der uns alle verbindet. Wir sind nicht die Krone der Schöpfung, sondern nur ein Schritt in der Evolutionsleiter in einem sinnlosen Universum. Sinnlos heißt aber nicht, dass wir unserem Leben keinen Sinn geben können. Das sollte uns endlich mal aufgehen, dann würden wir uns nicht ansatzweise so aufführen.

Übrigens bezeichnete sich Douglas Adams selbst als 'radikalen Atheisten'. Hier ein weiteres Zitat von ihm:
“Isn't it enough to see that a garden is beautiful without having to believe that there are fairies at the bottom of it too?”

Wir können die Diskussion gerne per PM oder einem anderen Thread weiterführen, aber hier führt es nun definitiv am Thema vorbei und ich bin momentan etwas viel beschäftigt. : )
 
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Ich rede von einer lebenspraktischen, menschenfreundlichen Ethik, das hat mit Atheismus an sich nichts zu tun.

Dann habe ich dich falsch interpretiert. Mir kam es rüber: "Böse -> Religion, Gut -> Rest".

Von 'Feindesliebe' oder Toleranz spüre ich da jedenfalls nur sehr wenig. Ich könnte da noch mehr menschenverachtende Stellen zitieren, zum Beispiel was Homosexualität und 'den Juden' als Feindbild betrifft (im neuen Testament).

Das alte Testament in den frühen Büchern - dessen Schriften ja ebenfalls für das Judentum, als auch für den Islam gleichbedeutend verwendet werden - ist relativ blutig. Die Elemente der Feindesliebe finden sich aber bereits da, u.a. in der Geschichte Abrahams oder Davids. Deutlich stärker tritt dieses Element aber bei den späteren Propheten wie z.B. Jesaia und beim neuen Testament auf.

Das mag auf eine Art widersprüchlich sein, spiegelt aber die Zweigeteiltheit des Gottes im jüdischen, christlichen und muslimischen Glaubens wider: Der Löwe und gleichzeitig das Lamm.

Im neuen Testament wird ja auch Jesus als Lamm und Löwe beschrieben. Einerseits streckt er die rechte Backe hin, andererseits treibt er die Markttreibenden aus dem Tempel.

Das zu verstehen und zu begreifen und zu sehen, dass das kein Widerspruch ist; dafür hab ich gut 10 Jahre gebraucht.

Trotzdem gibt es genug Menschen, die so etwas nicht hinterfragen. (Im Großen natürlich so gut wie kaum in Europa, hier herrscht nur noch 'Christentum light', was im Prinzip mit der eigentlichen Lehre nichts mehr zu tun hat und durch die Aufklärung 'verwässert' wurde). Zum Beispiel sie aber hier der nun heilig gesprochene Opus-Dei Gründer Escriva zitiert: Ich nenne dir die wahren Schätze des Menschen auf dieser Erde, damit du sie dir nicht entgehen lässt: Hunger, Durst, Hitze, Kälte, Schmerz, Schande, Armut, Einsamkeit, Verrat, Verleumdung, Gefängnis" (und dies im 20. Jahrhundert!!)

Ich glaube, die heutige, westliche Gesellschaftsform kommt dem Idealbild der christlichen Gesellschaft so nahe, wie bisher keine Gesellschaft in der Geschichte der Menschen. Und doch meilenweit entfernt. Ich würde in dem Sinn nicht Europa als "Christentum Light" bezeihnen, sondern eher die westliche Gesellschaft zur Zeit der beinahen Allmacht der Kirche als klar Anti-Christlich in fast jeder hinsicht.

Opus Dei zu verstehen, ist ein sehr schwieriges Thema (ich glaube fast, dafür muss man katholisch erzogen worden sein). Opus Dei ist eine extreme katholische Sekte und hat den Begriff der Demut - der im Katholizismus ein sehr grosse Rolle spielt - zur Hauptfigur im Glauben gemacht. Opus Dei glaubt, dass der Mensch sein Herz erst für Gott zu öffnen vermag, sofern man wahre Demut gelernt hat. Und gerade bei Schicksalsschlägen oder schwierigen Lebensumständen zeigt sich, dass die Menschen augenscheinlich demütiger werden. Ich sprech aus Erfahrung..

So sehr ich Opus Dei nicht befürworte, halte ich die Idee der Demut doch für den wahreren Weg des christlichen Glauben, als die calvinistische und evangelikale Variante des Weges zu Gott durch Wohlstand - auch wenn das sicher die populärere Methode ist.

Und das Paulus Anti-Semit war, das ist kein Geheimnis. Man darf aber nicht vergessen, dass er selbst ja geborener und gelehrte Jude war vor seiner Konvertierung. Genauergesagt war er Pharisäer und an den ersten Christenverfolgungen beteiligt. Unter der Voraussetzung kann ich es verstehen, dass er die Rolle der damaligen Juden - und damit einen Grossteil seiner eigenen Lebensgeschichte - kritisch betrachtet.

In gewisser Weise kann man den Muslimen da gar keinen Vorwurf machen. Immerhin leben sie in ihrer Zeitrechnung noch im Mittelalter (Christentum: Hexenverbrennungen, Kreuzzüge, Ächtungen von 'Ketzern', etc...). Sie sind nunmal nicht mit den Memen [Gedankeneinheiten, die durch Kommunikation übertragen werden] aufgewachsen, die für uns 'westlich orientierte' Menschen so selbstverständlich sind (vor allem die allgemeinen Menschenrechte, die auch erst gegen die Kirche erkämpft werden mussten, etc..)

Ich mache den Muslimen in den arabischen Ländern genausowenig einen Vorwurf, wie den afrikanischen Völkern, die von Pfeil und Bogen zum Maschinengewehr gekommen sind und heute in Kriegen ohne Ende verwickelt sind. Die Aufklärung war im Nachhinein gesehen wohl einer der bedeutensten Entwicklungsschritte in der Geschichte der Menschheit.

Ich mache aber durchaus Vorwürfe gegenüber Muslimen, die in der westlichen Welt geboren und aufgewachsen sind. Mir fehlt einerseits eine klare Distanzierung zu den extremistischen Kräften, andererseits aber auch ein offener Dialog über die Glaubenswerte. Die christlichen Schriften werden an allen Orten bis auf den Buchstaben diskutiert und zerpflückt, macht man dies mit dem Koran, erntet man Aufschreie.

Und hier kommen wieder die tausendjahrealten Schriften ins Spiel die nicht hinterfragt werden DÜRFEN. Wenn man dies trotzdem wagt, durchbricht man gewisse Meme und kulturell angelernte Sozialisationsmuster (Dieses Problem begegnet übrigens jedem "Fremdem" (quasi aus einer Out-Group) in einer In-Group).

Und hier muss man Unterscheiden. Denn z.B. die Bibel fordert in sich selbst geradezu zum Hinterfragen auf. "prüfet aber alles. Das Gute behaltet". Es ist die Kultur, das soziale Umfeld, dass die Problematik darstellt. Der Koran an sich hat viele, sehr moderne, gesellschaftsliberale Ansätze enthalten, aber gelebt werden diese in den arabischen Ländern nicht. Weil eben nie der Schritt in die Aufklärung gemacht wurde. Das ist ein Problem der Kultur, nicht eine der Religion an sich.

Lindern wir Leid eines anderen Menschen, steigern wir unser Wohlempfinden. Der Fatalismus wäre also eine völlig falsche Konsequenz.

Ich kenne ähnliche Werke aus dem Studium. Das nennt sich in den Wirtschaftswissenschaften Altruismus und wurde tausendfach in Experimenten nachgewiesen. Hat ganz spannende dazu. Ich hatte mal das Glück im Institut von Prof. Fehr zu arbeiten, der als Koriphäe auf dem Gebiet gilt und hoffentlich nächstes Jahr für seine Arbeiten den Nobelpreis abstaubt. Vielleicht willst du ein paar seiner Arbeiten anschauen, sind sehr spannend.

http://www.iew.uzh.ch/institute/people/fehr/publications.html

Übrigens bezeichnete sich Douglas Adams selbst als 'radikalen Atheisten'. Hier ein weiteres Zitat von ihm:
“Isn't it enough to see that a garden is beautiful without having to believe that there are fairies at the bottom of it too?”

Wir können die Diskussion gerne per PM oder einem anderen Thread weiterführen, aber hier führt es nun definitiv am Thema vorbei und ich bin momentan etwas viel beschäftigt. : )

Mir ist klar, dass Adams Atheist erster Güte war. Aber seine kruden Denkmuster, die er in seinen eigentlich zur Unterhaltung gedachten Bücher anstellt, finde ich mehr als anregend.

Es ist kein Geheimnis, dass ich mich klar als Christen sehe, aber gerade die Diskussionen, die ich bisher mit Atheisten, mit Muslimen, mit Juden und Satanisten geführt habe, lassen es erst zu, reflektiert mit dem Thema Religion umzugehen. Leider musste ich oft genug erfahren, dass gerade der Diskurs mit Muslimen sehr schwierig ist, da ich bisher kaum jemanden gefunden habe, der offen und ohne vorgebildete Meinungen über Glaubensgrundsätze diskutieren wollte.. Ganz zu schweigen, dass sich zwar viele Muslim nennen, aber von denjenigen kaum jemand den Koran auch nur ansatzweise kennt. Gerade heute hat mich eine türkische Kollegin gefragt - die sich an die Essensvorschriften des Korans weitgehen hält -, ob Hirsch-Fleisch nach muslimischen Regeln zu essen sei oder nicht. Ich wusste es, da ich die betreffenden Stellen in den Schriften des alten Testament kenne, auch wenn sie für Christen keinerlei Bedeutung mehr haben. Aber ich finde es irgendwie befremdend, dass sie dies nicht wusste, wenn es doch ein relevanter Bestandteil ihres Glaubens zu sein scheint.

Ich weiss, die Diskussion entfremdet sich auf eine Art, aber ich find's grad hochspannend. Ich denke, dass darf und muss geradezu öffentlich geführt werden.
 
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El_Cattivo

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aber ich find's grad hochspannend. Ich denke, dass darf und muss geradezu öffentlich geführt werden.

Das einzige, zu dem ich mich hier äußern möchte und dem ich voll und ganz zustimme. Lese hier sehr interessiert mit, auch wenn mir dabei aufgezeigt wird, wie wenig Ahnung ich doch eigentlich habe.
 
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seb

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Gut, dann will ich da nicht nachstehen. Will jetzt aber eigentlich ins Bett ^^
Werd deshalb nun nur noch ganz kurz nochmal auf Opus Dei eingehen:

Wir sind uns zumindest in dem Punkt einig, dass die calvinistische Variante des Weges zu Gott durch Wohlstand auch nicht der Hit ist. Max Webers Ausführungen zur Entstehung des Kapitalismus daraus sind allerdings reichlich interessant zu lesen.

Ich persönlich kann hier jetzt gar nicht weiter diskutieren, welcher Weg der beste ist, da ich als 'rationaler Mystiker' (wenn du möchtest, erklär ich dir den Begriff auch gerne) überhaupt nicht auf der Suche nach Gott bin. Im Prinzip sind für mich also alle Wege falsch. Das sollte dir denke ich auch schon aufgefallen sein.

Bei Opus Dei und anderen Sekten ist doch das Problem, dass sie dem Menschen die Freude auf Erden nehmen. Sex wird zur Sünde erklärt, viele andere Sinnerfahrungen auch. Und dafür soll dann irgendwann einmal das Paradies im Himmel auf uns warten.
Darüber kann ich in unserer Gesellschaft im 21. Jahrhundert doch nur noch lachen.

Heiko Ersnt, Psychologe stellt beispielsweise drei Lebensstile heraus, die sich als besonders glücksbringend erwiesen haben:

a) das hedonistische Leben ('Glücksmaximierung durch den Genuss angenehmer Dinge')
b) das sinnerfüllte Leben ('Streben nach tieferem Lebenssinn')
c) das aktive Leben ('Selbstverwirklichung')

zu a) Über Jahrhunderte hinweg wurde beispielsweise die hedonistische Orientierung an der diesseitigen Lust als Sünde, ja als Ausdruck teuflischer Verführungskunst verunglimpft.

Und diese Meme herrschen auch heutzutage noch in unserer Kultur vor. Deshalb fühlen sich immer noch Menschen schuldig, wenn sie irgendetwas in besonderer Weise genießen.

Epikur leitete hieraus die Tugend der Selbstgenügsamkeit ab, man muss also seine Begierden immer nach ethischen Maßstäben hinterfragen. Solange niemand anderes zu Schaden kommt, darf also jeder Mann soviel alleine vor sich hinonanieren, wie er möchte (nunmal als provokatives Beispiel).

zu b) Um Sinn zu erfahren, dürfen wir unser Leben nicht isoliert betrachten, sonderen müssen es in Beziehung zur Welt setzen. So stellt sich natürlich die Frage, wie es uns gelingen kann, in einem sinnleeren Universum ein sinnerfülltes Leben zu führen. Hierzu mal wieder Douglas Adams: Es geht uns bei der Frage nach der sinnerfüllten Existenz gar nicht um den (sehr wahrscheinlich gar nicht existierenden) großen Sinn an sich, um
die letzte Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest
sondern bloss um die Zusammenhänge, die wir kulturell geprägten Affen auf einem kleinen Planeten am Rande der Milchstraße als für unser Leben wichtig erachten.

Indem wir die Sorge um unser eigenes Wohl und Wehe um die Sorge um fremdes Wohl und Wehe erweitern, stellen wir einen Zusammenhang zwischen uns und den anderen her und: erfahren Sinn!

zu c ) bin ich jetzt zu faul

(Ich gebe zu, dass oben hab ich fast alles schnell nochmal nachgeschlagen, übrigens in dem Werk von Michael Schmidt-Salomon)

Nun frage ich dich: Sollte man nicht unabhängig davon, ob man nun an einen Gott und / oder ein ewiges Paradies (übrigens eine für mich ebenso schreckliche Vorstellung) glaubt oder nicht, versuchen für sich und andere auf Erden möglichst viel "Glück" zu ernten?

'Carpe diem' - Nutze den Tag!

Selbst wenn es danach noch ein Paradies oder eine Wiedergeburt, etc.. geben würde, sollte ich nicht trotzdem versuchen mir mein Leben und das meiner Mitmenschen hier so angenehm wie möglich zu gestalten? Anstatt mich selbst und andere zu foltern?
Immerhin ist sich ja selbst der religiöseste Mensch nicht sicher im Paradies zu landen, er hat ja eher Angst davor, dies nicht zu schaffen (wie ja auch schon der Begriff 'Glaube' impliziert).
 
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einsiedler

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Wie heisst es so schön: "Religionskriege sind nur Streitigkeiten darüber, wer den cooleren imaginären Freund hat!"

Die Welt wäre eine schönere und friedlichere, wenn es keine Religionen gäbe.
 

firebass

Schon fast ein Großer
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Unglaublich... Von der Diskussion über eine islamfeindlichkeit der Schweiz zur eigenen Religionsfeindlichkeit :mrgreen:
normalerweise wäre ich bei sowas sofort dabei, aber bei euerm niveau schwirrt mir der Kopf... Da geh ich lieber ntv gucken ;)
 

Gigge

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Möglicherweise weil diese Sender ebenso unseriösen und sensationsgeilen 'Journalismus' betreiben wie die Redakteure eines von dir offenbar häufig gelesenen Blattes.
 

nitsche

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Erzähl mir mehr davon, bin im Zeitfenster Ende westliches Römisches Reich - Louis XIV da nicht so visiert.

Das merke ich schon an der Zusammenwurschtelung von Louis XIV. und HRR. :lol: Da kannste auch Bismarck nach Spanien stecken. :p

Ich hab leider dank vieler zu korrigierender Schulaufgaben keine Zeit da in die Tiefe zu gehen. Schau einfach mal bei Wikipedia rein. Da ist zwar, wie immer, alles verknappt und vereinfacht, macht aber klar, was ich meinte. ;)
 

McGuinness

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warum eigentlich unterschicht-sender?

Nun, deshalb zum Beispiel:

schweinegrippen24.jpg


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